Suche


 

Suchen über Navigation


 

Ein urteilsfähiger Intellekt

Ein fühlendes Herz

Ein gesunder Körper

 

 
 

... aus Kosmokonzeption (Max Heindel)

Tod und Fegefeuer


So sät und baut der Mensch, bis der Augenblick des Todes naht. Dann ist die Zeit zu säen, zu wachsen und zu reifen vorüber. Die Erntezeit ist angebrochen und die Skelettgestalt des Todes erscheint mit Stundenglas und Hippe. Das ist ein treffliches Sinnbild. Das Skelett symbolisiert den relativ dauernden Teil des Körpers. Die Sense repräsentiert die Tatsache, dass dieser dauernde Teil, der jetzt vom Geist geerntet werden soll, die Frucht des Lebens ist, das nun seinem Ende zugeht. Das Stundenglas in seiner Hand zeigt an, dass die Stunde nicht schlägt, bevor die Zeit in Übereinstimmung mit unabänderlichen Gesetzen erfüllt ist.

Wenn dieser Augenblick eintritt, findet eine Trennung der Träger statt. Da für die gegenwärtige Zeit das Leben in der physischen Welt beendet ist, braucht der Mensch seinen dichten Körper nicht mehr länger zurückzubehalten. Der Lebensleib, der, wie wir erklärt haben, auch der physischen Welt angehört, tritt durch den Kopf aus dem Körper aus und lässt den dichten Körper unbelebt zurück.

Man kann beobachten, wie die höheren Träger - der Lebensleib, der Empfindungsleib und der Intellekt - den dichten Körper in spiralförmiger Bewegung verlassen. Mit ihnen geht die Seele eines dichten Atoms. Es ist nicht das Atom selbst, sondern die Kräfte, die durch es wirkten. In dieses besondere Atom wurden die Erfahrungen eingeprägt, die während des eben beendeten Lebens gemacht wurden. Während alle anderen Atome des menschlichen Körpers immerfort erneuert wurden, ist dieses eine Atom unverändert geblieben. Es hat nicht nur diesem Leben standgehalten, sondern es hat einen beständigen Teil jedes dichten Körpers gebildet, dessen sich ein einzelnes Ego jemals bediente. Es wird beim Tod nur zurückgezogen, um beim Anbruch eines neuen physischen Lebens wieder als Kern zu dienen, um den sich ein neuer dichter Körper zur Benutzung für dasselbe Ego bildet.

Darum heißt es "Keimatom" (seed-atom). Während des Lebens sitzt das Keimatom in der linken Herzkammer, nahe der Spitze. Beim Tod steigt es auf dem Weg des pneumo- gastrischen Nervs zum Gehirn und verlässt den dichten Körper zusammen mit den höheren Trägern durch die Nähte zwischen dem Scheitel- (os parietale) und Hinterhauptbein.

Wenn die höheren Träger den dichten Körper verlassen haben, so sind sie mit ihm noch durch eine dünne, glänzende, silbrige Schnur verbunden, die zwei geschriebenen Sechsen sehr ähnlich ist, von denen eine aufrecht, die andere verkehrt steht und die am Ende ihrer Haken aneinanderhängen.

Die Silberschnur (Diagramm 5A)

Ein Ende ist durch das Keimatom mit dem Herzen verbunden. Beim Brechen des Keimatoms hört das Herz auf zu schlagen. Die Schnur selbst wird nicht abgeschnitten, ehe nicht das Panorama des vergangenen Lebens, das im Lebensleib enthalten ist, überblickt wurde. Es ist wichtig darauf zu achten, dass der Körper nicht früher als drei Tage nach dem Tod verbrannt oder einbalsamiert wird. Solange der Lebensleib in Verbindung mit den höheren Trägern ist, und sie mit dem dichten Körper noch durch die Silberschnur zusammenhängen, wird jede Leichensektion oder Verletzung des dichten Körpers nach dessen Ableben noch in gewissem Grad vom Menschen empfunden.

Besonders die Verbrennung sollte in den ersten drei Tagen nach dem Tod vermieden werden, weil sie den Lebensleib zerstört, der solange unverletzt bleiben sollte, bis das Panorama des vergangenen Lebens in den Empfindungsleib eingraviert wurde.

Die Silberschnur bricht an der Stelle, an der sich die beiden Sechsen vereinigen. Die eine Hälfte verbleibt beim dichten Körper und die andere bei den höheren Trägern. Erst von dem Augenblick an, wo die Schnur reißt, ist der dichte Körper ganz tot.

Anfang 1906 machte Dr. McDougall im General Hospital of Massachusetts eine Reihe von Versuchen, um - wenn möglich - festzustellen, ob etwas für gewöhnlich nicht Sichtbares den Körper beim Tod verlasse. Zu diesem Zweck konstruierte er eine Waage, die auf Unterschiede von etwa 3 g reagierte.

Der Sterbende und sein Bett wurden auf eine Seite der Waage gebracht und auf die andere die entsprechenden Gewichte. In jedem einzelnen Fall konnte man feststellen, dass im Augenblick, als der Sterbende seinen letzten Seufzer tat, die Waagschale mit den Gewichten Ÿberraschend schnell sank, wogegen die Waagschale mit dem Bett und dem Toten sich hob. Es zeigte sich dadurch, dass etwas Unsichtbares, jedoch Wägbares, den Körper verlassen hatte. Daraufhin verkündeten alle Zeitungen, dass McDougall "die Seele abgewogen" habe.

Die Okkultisten begrüßen jede Entdeckung der modernen Wissenschaft mit Freuden, da sie unabänderlich bestätigt, was die okkulte Wissenschaft schon lange lehrt. Die Experimente Dr. McDougalls wiesen endgültig nach, dass beim Tod irgendetwas, dem gewöhnlichen Auge Unsichtbares, den Körper verlässt, so wie dies die geŸbten Hellseher geschaut hatten und wie es, Jahre vor der Entdeckung Dr. McDougalls, in Vorträgen und in der Fachliteratur gelehrt wurde.

Aber dieses unsichtbare "Etwas" ist nicht die Seele, sondern etwas davon Grundverschiedenes. Die Berichterstatter unterliegen einem Trugschluss, wenn sie annehmen, dass es der Wissenschaft gelang, die Seele abzuwägen. Die Seele gehört höheren Reichen an und kann nicht gewogen werden, selbst wenn die Waage auf Unterschiede von einem Millionstel Getreidekorn reagieren würde und nicht nur auf 3 g. Es war der Lebensleib, den der Gelehrte abwog. Der Lebensleib besteht aus vier Ätherarten und diese gehören der physischen Welt an.

Wie wir gesehen haben, wird eine gewisse Menge dieser Ätherarten dem Äther "überlagert", der die Atome des menschlichen Körpers umüŸllt; er ist hier während des physischen Lebens gefesselt, wobei er in ganz geringem Maß das Gewicht der Pflanzen, Tiere und Menschen vergrößert. Beim Tod entflieht er. Daher auch die Gewichtsverminderung, die Dr. McDougall feststellte, nachdem der Mensch verschied, mit dem er experimentierte.

Dr. McDougall versuchte seine Waage-Experimente auch an sterbenden Tieren. Es ergab sich keine Verminderung des Gewichts, obwohl einer der Hunde ein großer Bernhardiner war. Daraus schloß man, dass Tiere keine Seele haben. Aber ein wenig später experimentierte Prof. La V. Twinigg, Vorstand der wissenschaftlichen Abteilung der Politechnischen Schule in Los Angeles, mit Mäusen und Küken, die er in hermetisch versiegelte Glasflaschen einschloss. Seine Waage war die empfindlichste, die man seinerzeit konstruieren konnte. Sie war sogar in einem Glaskasten eingeschlossen, aus dem jede Feuchtigkeit entfernt wurde. Dabei fand man, dass alle beobachteten Tiere beim Tod an Gewicht verloren.

Eine Maus von ziemlicher Größe, die 12,886 Gramm wog, verlor beim Tod plötzlich 3,1 Milligramm an Gewicht. Bei einem anderen Experiment verlor ein Küken 100 Milligramm, und bei seinem letzten Hauch plötzlich nochmals 60 Milligramm. Nachher verlor es langsam durch Verdunstung an Gewicht.

So wurden die Lehren der okkulten Wissenschaft in bezug auf den Lebensleib der Tiere ebenfalls bestätigt, durch die Verwendung entsprechend feiner Waagen; und jener Fall, bei dem der auf der verhältnismäßig groben Waage gewogene Bernhardiner bei seinem Sterben nicht an Gewicht verlor, beweist nur, dass Tiere einen entsprechend leichteren Lebensleib als Menschen haben.

Wenn die "Silberschnur" im Herzen gebrochen ist und der Mensch von seinem dichten Körper erlöst wurde, kommt für das Ego ein Augenblick von höchster Wichtigkeit. Man kann es den Verwandten eines sterbenden Menschen nicht ernst genug einprägen, dass es ein großes Verbrechen gegen die Hinscheidenden ist, sich in lautem Kummer und Wehklagen zu ergehen, denn gerade dann ist der Sterbende mit einer Angelegenheit von größter Wichtigkeit beschäftigt. Ein großer Teil des Wertes, den ein vergangenes Leben hat, hängt davon ab, wie viel Aufmerksamkeit die Seele dieser Angelegenheit zuwenden kann. Das wird klarer werden, wenn wir das Leben des Menschen in der Empfindungswelt betrachten.

Auch ist es dem Sterbenden gegenüber ein großes Verbrechen, Reizmittel anzuwenden, welche die höheren Träger mit einem Ruck in den dichten Körper zurückzwingen und so dem Menschen einen starken Schlag versetzen. Es ist keine Folterqual hinzuscheiden, aber es ist tatsächlich eine Folterqual zu fortgesetzten Leiden zurückgezerrt zu werden. Einige Abgeschiedene erzählten Forschern, dass sie auf diese Weise stundenlang sterben mussten. Sie hatten ihre Verwandten inständigst gebeten, ihre verfehlte Güte einzustellen und sie sterben zu lassen.

Sobald der Mensch vom dichten Körper befreit ist, der wie ein schweres Bleigewicht an seiner geistigen Kraft hing (so wie in unserem früheren Beispiel der Handschuh an der Hand des Musikers), kehrt seine geistige Kraft in gewissem Maß zurück und er kann die Bilder im negativen Pol des rückstrahlenden Äthers lesen, der einen Teil des Lebensleibes bildet und der Sitz des unterbewußten Gedächtnisses ist.

Vor seinem Blick zieht sein ganzes vergangenes Leben wie ein Panorama vorüber, jedoch in umgekehrter Reihenfolge. Zuerst erscheinen die Ereignisse der Tage, die dem Tod unmittelbar vorangingen, und so schreitet er zurück durch Mannes- oder Frauenalter, durch Jugend, Kindheit und Säuglingsalter. Alles ist in diesem Gedächtnis aufbewahrt.

Vor diesem Panorama seines vergangenen Lebens steht der Mensch als Zuschauer. Er sieht die vorübergleitenden Bilder, die sich seinen höheren Trägern einprägen. Sie rufen jedoch in diesem Augenblick keine Empfindung in ihm hervor. Das ist seinem Eintritt in die Empfindungswelt vorbehalten, welche die Welt der Gefühle und Erregungen ist. Gegenwärtig befindet er sich aber in der Ätherregion der physischen Welt.

Dieses Panorama dauert von einigen Stunden bis zu einigen Tagen, was von der Länge der Zeit abhängt, während derer der Mensch, wenn nötig, wach bleiben kann. Einige Menschen können nur zwölf Stunden wach bleiben, andere, wenn es sein muss, mehrere Tage lang. Sein Panorama dauert in jedem Fall so lange, wie er fähig ist wach zu bleiben.

Dieses Abbild des Lebens nach dem Tod gleicht dem, das man auch während des Ertrinkens oder des Fallens von einer Höhe erfährt. In solchen Fällen verlässt der Lebensleib auch den dichten Körper, und der Mensch sieht sein Leben blitzartig an sich vorŸberziehen, denn er verliert sein Bewusstsein augenblicklich. Natürlich ist dann die Silberschnur nicht abgebrochen, sonst gäbe es kein Wiederaufleben.

Wenn der Lebensleib die Grenze seiner Kräfte erreicht hat, bricht er zusammen, so wie das bei der Erscheinung des Schlafes beschrieben wurde. Solange das Ego während des physischen Lebens seine Träger lenkt, ist dieses Zusammenbrechen der Abschluss des Wachzustandes; nach dem Tod jedoch beschließt dieses Zusammenbrechen des Lebensleibes das Panorama des Lebens und zwingt den Menschen zum Eintritt in die Empfindungswelt. Die Silberschnur bricht an der Stelle der Vereinigung der beiden "Sechsen" (siehe Diagramm 5A) und es erfolgt dieselbe Trennung, wie sie während des Schlafes stattfindet, nur mit dem wichtigen Unterschied, dass der Lebensleib - obwohl zum dichten Körper zurückkehrend - ihn nicht mehr durchdringt, sondern einfach über ihm schwebt. Er schwebt über dem Grab hin und her und löst sich gleichzeitig mit dem dichten Körper auf.

Aus diesem Grund ist für den Hellseher ein Friedhof ein grauenerregender Anblick. Könnten dies außer ihm auch noch andere Menschen sehen, so brauchte man nicht viel zu argumentieren, um die gegenwärtige, unhygienische Methode, die Toten zu beerdigen, mit der viel vernünftigeren des Verbrennens zu vertauschen, welche die Elemente augenblicklich in ihren Urzustand zurückführt, ohne dass sie die widerlichen Begleiterscheinungen des langsamen Zerfalls hervorruft.

Beim Verlassen des Lebensleibes ist der Vorgang im großen und ganzen so wie beim Aufgeben des dichten Körpers. Auch hier werden einem Atom die Lebenskräfte entzogen, um als Kern für den Lebensleib einer zukünftigen Inkarnation zu dienen. So bringt der Mensch bei seinem Eintritt in die Empfindungswelt neben Empfindungsleib und Intellekt das Keimatom des dichten Körpers und des Lebensleibes mit.

Könnte der sterbende Mensch all sein Verlangen zurücklassen, würde sein Empfindungsleib sehr rasch von ihm abfallen und ihm die Freiheit geben, um in die himmlische Welt fortschreiten zu können. Das ist aber im allgemeinen nicht der Fall. Die meisten Menschen, namentlich solche, die im Frühling ihres Lebens sterben, werden noch durch viele Bande und Interessen an das Erdenleben gefesselt. Ihre Empfindungen haben sich durch das Hinscheiden ihres dichten Körpers nicht verändert. Ja, oftmals verstärken sich ihre Begierden noch durch ein heftiges Sehnen (in die physische Welt) zurückzukehren. Das hat zur Folge, dass sie sich dadurch auf eine sehr unangenehme Weise an die Empfindungswelt binden, obwohl ihnen das unglücklicherweise nicht bewusst wird. Alte Menschen aber und solche, die durch lange Krankheit sehr geschwächt und des Lebens müde sind, gehen sehr schnell durch die Empfindungswelt hindurch.

Ein Vergleich mit einem Kern, der sehr leicht aus der reifen Frucht fällt, wobei nichts vom Fleisch an ihm haften bleibt, möge die Sache veranschaulichen. Der unreife Kern hängt mit äußerster Zähigkeit am Fruchtfleisch. Menschen, die auf der Höhe ihrer physischen Gesundheit und Stärke durch einen Unglücksfall gezwungen werden, ihren Körper zu verlassen, sterben ganz besonders schwer, da sie noch in zahllose Angelegenheiten des physischen Lebens verwickelt waren und weil sie durch die Bande der Ehe, der Familie, der Verwandten, der Freunde, des sich Hingebens an Geschäfte und Vergnügungen gehalten wurden.

Der Selbstmörder, der dem Leben zu entfliehen sucht, wird nur finden, dass er so lebendig ist wie immer; sein Zustand ist der bedauernswürdigste. Er ist imstande, die zu beobachten, denen er vielleicht durch seine Tat Schande brachte. Das Schlimmste von allem aber ist, dass er ein unausprechliches Gefühl des "Ausgehöhltseins" hat. Der Teil seiner eifšrmigen Aura, den sein dichter Körper bisher einnahm, ist leer. Wenn auch der Empfindungsleib die Form des abgeschiedenen dichten Körpers angenommen hat, hat der Mensch doch das Gefühl, eine leere Schale zu sein. Das kommt daher, weil der schöpferische Urtypus des Körpers in der Region der konkreten Gedanken als leere Hülse so lange fortwirkt, als der physische Körper gelebt haben würde. Stirbt ein Mensch eines natürlichen Todes, wenn auch in der Blüte des Lebens, so hört auch die Tätigkeit des Urtypus auf. Dem passt sich der Empfindungsleib an und füllt die Form ganz aus. Im Falle eines Selbstmordes bleibt jedoch das entsetzliche Gefühl des "Leerseins" bestehen, bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der natürliche Tod eingetreten wäre.

Solange der Mensch seine an der Erde haftenden Empfindungen beibehält, muss er in seinem Empfindungsleib bleiben, und da der Fortschritt des Individuums es erfordert, dass es in höhere Regionen eingehe, muss der Aufenthalt in der Empfindungswelt natürlich reinigend wirken; er muss ihn von seinen ihn fesselnden Begierden befreien. Wie das vor sich geht, wird am besten an einigen Schulbeispielen erläutert.

Der Geizhals, der auf Erden sein Gold liebte, liebt es nach dem Tod genauso. Er kann aber nun in der Empfindungswelt kein weiteres Gold mehr erwerben, da ihm der dichte Körper fehlt, um es zusammenzuscharren und - was am schlimmsten ist - er kann nicht einmal das behalten, was er während seines vergangenen Lebens angehäuft hatte. Vielleicht wird er zu seinem Geldschrank gehen, um sich dort hinzusetzen und sein geliebtes Gold und seine Aktien zu bewachen. Nun kommen aber die Erben, scherzen über den "geizigen alten Narren" (den sie nicht sehen, der sie aber sehr wohl sieht und hört), und öffnen seinen Geldschrank. Er wirft sich zwar über sein Gold, um es zu beschützen, aber sie stecken ihre Hände durch ihn hindurch, wissen nichts von seiner Anwesenheit, kümmern sich auch nicht darum und gehen dann hin, um seinen Schatz auszugeben, während er in Kummer und ohnmächtiger Wut leidet.

Er leidet schwer, denn seine Leiden sind um so schrecklicher, weil sie vollkommen mentaler Art sind. Der dichte Körper dämpft solche Leiden einigermaßen. In der Empfindungswelt jedoch haben diese Leiden freies Spiel und der Mensch leidet, bis er zur Einsicht kommt, dass sein Geld ein Fluch sein kann. So sönt er sich nach und nach mit seinem Los aus und wird endlich von seinem Empfindungsleib erlöst. Erst dann ist er bereit, weiterzugehen.

Oder man nehme den Fall eines Trinkers. Er liebt berauschende Getränke nach seinem Tod genauso wie vorher. Nicht der dichte Körper giert nach Getränken, denn er wird durch den Alkohol nur krank und würde ihn lieber meiden. Vergebens wehrt er sich auf verschiedene Weise gegen die Aufnahme von Alkohol. Der Empfindungsleib des Trunkenbolds lechzt nach alkoholischen Getränken und zwingt den dichten Körper, sie aufzunehmen, damit er das VergüŸgen der erhöhten Schwingungen genießen kann. Die Begierde bleibt nach dem Tod des dichten Körpers, aber der Empfindungsleib des Trunkenbolds hat nun weder einen Mund zum Trinken noch einen Magen, um die Getränke zu behalten. Vielleicht - ja gewiß sogar - begibt sich der Alkoholiker in Wirtshäuser, wo er seine Träger in die Körper der Trinken- den zwingt, damit er das Lustgefühl der erhöhten Schwingungen wenigstens durch Übertragung genießen kann. Aber diese Empfindung ist zu schwach, um ihm VergüŸgen zu bereiten. Er begibt sich auch in Whiskyfässer, was aber ebenso nutzlos ist, weil im Faß nicht dieselben Dünste entstehen, wie sie von den Verdauungsorganen eines Trinkers erzeugt werden. Er verspürt keine Wirkung und gleicht einem Mann, der in einem offenen Boot im Ozean schwimmt. "Wasser, überall Wasser, aber kein Tropfen zum Trinken"; er leidet Qualen. Mit der Zeit jedoch lernt er die Erfolglosigkeit seines Sehnens erkennen, und - wie so viele der Begierden in unserem Erdenleben - sterben diese alle in der Empfindungswelt an der Unmöglichkeit, sie zu befriedigen. Wenn der Trinker sich geläutert hat, so ist er - wenigstens was dieses Laster betrifft - bereit, diesen Zustand des "Fegefeuers" zu verlassen und in die himmlische Welt einzugehen.

Hieraus ersehen wir, dass es kein rächender Gott ist, der Fegefeuer oder Hölle für uns schafft, sondern dass es unsere eigenen üblen Gewohnheiten und Taten sind. Der Heftigkeit unserer Begierden entspricht auch die Länge der Zeit und die Intensität der Leiden, die wir zu ihrer Austilgung benötigen. Im erwähnten Fall wäre es für den Trunkenbold kein Leid gewesen, seinen weltlichen Besitz zu verlieren. Selbst wenn er Schätze besaß, hing er nicht an ihnen. Es hätte auch den Geizhals nicht geschmerzt, keine berauschenden Getränke genießen zu können. Man kann mit Sicherheit behaupten, dass ihn der Mangel jedes trinkbaren Tropfens auf der Erde gleichgültig gelassen hätte. Der Geizhals sorgte sich um sein Gold, der Trunkenbold gierte nach berauschenden Getränken, und darum gab das unfehlbare Gesetz jedem, was zur Befreiung von seinen Begierden und Lastern dienlich war.

Dies ist das Gesetz, das durch die Sense des Schnitters Tod symbolisiert wird, jenes Gesetz, das da sagt: "Was immer der Mensch sät, das soll er auch ernten." Es ist das Gesetz der "Ursache und Wirkung", das alle Dinge der drei Welten beherrscht, dem jedes Naturreich unterworfen ist: das physische, das moralische und das geistige. Überall wirkt es unerbittlich, es gleicht alles aus, es stellt das Gleichgewicht wieder her, wo auch immer die kleinste Handlung eine Störung hervorgerufen hat, wie es ja schließlich eine jede Handlung tun muss. Die Wirkung kann sich unmittelbar zeigen, sie kann nach Jahren oder erst nach Leben eintreten, aber irgendwann und irgendwo erfolgt gerechte und ausgleichende Wiedervergeltung.

Der Schüler muss besonders darauf achten, dass die Tätigkeit dieses Gesetzes vollkommen und unpersönlich ist. In der Natur gibt es weder Lohn noch Strafe, alles ist die Folge eines unabänderlichen Gesetzes. Die Wirkungsweise dieses Gesetzes wird im nächsten Kapitel eingehender erklärt werden, wo wir es in Verbindung mit einem anderen großen, kosmischen Gesetz finden, das auch in die Entwicklung des Menschen eingreift. Das Gesetz, das wir jetzt betrachten, heißt: das Gesetz der "Ursache und Wirkung".

In der Empfindungswelt reinigt es den Menschen von seinen Begierden, gleicht seine Schwächen und Laster aus, die ihn am Fortschritt hindern, und lässt ihn zu diesem Zweck in der Art leiden, die diesen Erfolg am ehesten herbeiführt. Wenn er andere leiden ließ oder ungerecht behandelte, wird mit ihm ebenso verfahren werden.

Es muss aber bemerkt werden, dass ein lasterhafter oder ungerechter Mensch, der seine Laster überwand oder bereute, und seine Ungerechtigkeit so weit als möglich wiedergutgemacht hat, durch solche Reue, Besserung oder Wiedergutmachung sich von diesen besonderen Lastern und bösen Taten befreit hat. Das Gleichgewicht ist wiederhergestellt, und die Lehre ist in diesem Erdenleben aufgenommen worden, wodurch nach dem Tod die Ursache zum Leiden fehlt.

In der Empfindungswelt vergeht das Leben ungefähr dreimal so schnell wie in der physischen Welt. Ein Mensch, der in der physischen Welt fünfzig Jahre alt geworden ist, würde dieselben Ereignisse in der Empfindungswelt in ungefähr 16 Jahren durchleben. Dies ist jedoch nur allgemein der Fall. Es gibt Menschen, die in der Empfindungswelt viel länger leben, als die ihnen zugemessene Spanne an Zeit in der physischen Welt betrug. Andere, deren Leben von wenigen groben Begierden erfüllt war, durchlaufen die Empfindungswelt in viel kürzerer Zeit, aber das oben angegebene Maß stimmt fast für alle Durchschnittsmenschen der Gegenwart.

Erinnern wir uns, dass beim Verlassen des dichten Körpers das vergangene Leben in Bildern vorüberzieht, der Mensch aber in diesem Augenblick kein Empfinden dafür besitzt.

Auch während des Lebens in der Empfindungswelt laufen diese Lebensbilder wie vorher in umgekehrter Reihenfolge ab. Dabei aber hat nun der Mensch soviele Gefühle, wie er nur haben kann, während die Szenen eine nach der anderen vorüberziehen. Er durchlebt nun jeden Augenblick seines Lebens nochmals. Wenn er zu einem Punkt kommt, an dem er einem Menschen Unrecht getan hat, so empfindet er dieses Unrecht ebenso, wie der betreffende Mensch es empfand. Er durchlebt allen Kummer und Schmerz, den er anderen verursachte, und lernt dabei, wie schmerzlich die Verletzung und wie schwer zu ertragen der Kummer war, den er schuf. Dazu kommt noch, dass das Leiden - wie bereits erwähnt - schärfer empfunden wird, da der dichte Körper den Schmerz nicht mehr dämpfen kann. Vielleicht ist deshalb die Schnelligkeit des Lebens verdreifacht, damit die Leiden durch die Verkürzung das verlieren, was sie an Stärke gewinnen. Das Maß der Natur ist wunderbar gerecht und wahr.

Es gibt noch ein anderes Charakteristikum, das mit dieser Phase des Zustandes nach dem Tod zusammenhängt. Es ist die Tatsache, dass in der Empfindungswelt (wie bereits erwähnt) Entfernungen so gut wie aufgehoben sind. Wenn der Mensch stirbt, so scheint er auf einmal in seinen Lebensleib hineinzuschwellen, der ungeheure Ausdehnungen an- zunehmen scheint. Nicht der Körper wächst wirklich, sondern die Aufnahmefähigkeit wird von vielen Eindrücken aus verschiedenen Quellen, die alle ganz nahe zu sein scheinen, getroffen. Dasselbe gilt auch vom Empfindungsleib. Es scheint dem Menschen so, als sei er bei allen Menschen gegenwärtig, mit denen er auf der Erde in einer Art von Beziehung stand, die nun einer Korrektur bedürfen. Wenn er einen Menschen in San Franzisko und einen in New York verletzt hat, so scheint es ihm, als wenn ein Teil von ihm an jedem der beiden Orte wäre, was das Gefühl des Zerstückeltseins hervorruft.

Der Schüler wird nun die Bedeutung des Panoramas über das vergangene Leben während des reinigenden Daseins verstehen, weil dort diese Lebensübersicht in scharf umgrenzten Gefühlen verwirklicht wird. Wenn es lange dauerte und der Mensch nicht gestört wurde, so macht ein voll und klar dem Empfindungsleib eingegrabener Eindruck das Leben in der Empfindungswelt lebendiger und bewusster. Die Reinigung kann dann gründlicher vor sich gehen, als wenn nach dem Tod am Totenbett laute Ausbrüche der Verzweiflung und des Kummers den Abgeschiedenen nur einen verschwommenen Eindruck seines vergangenen Lebens gewinnen lassen. Der Geist, der seinem Empfindungsleib einen tiefen und klaren Eindruck eingeprägt hat, wird die Fehler seines vergangenen Lebens viel klarer und bestimmter fühlen, als wenn die Bilder verschwommen geblieben wären, weil seine Aufmerksamkeit durch die Leiden und den Kummer seiner Umgebung abgelenkt wurde. Das Gefühl, die Ursachen seiner Leiden in der Empfindungswelt betreffend, wird viel bestimmter sein, wenn es von einem deutlichen Eindruck des Panoramas herrührt, als wenn die Dauer des Vorganges nur kurz wäre.

Dieses scharf und klar umrissene Gefühl ist für die zukünftigen Leben von größtem Wert. Es drückt dem Keimatom des Empfindungsleibes ein unauslöschliches Merkmal von sich auf. Die Erfahrungen werden in künftigen Leben vergessen sein, das Gefühl aber wird bleiben. Wenn sich in späteren Leben Gelegenheiten bieten, die Fehler zu wiederholen, so wird das Gefühl klar und unfehlbar davor warnen. Es ist die "stille, kleine Stimme", die uns warnt, obwohl wir nicht wissen warum. Aber je klarer und bestimmter das Panorama des vergangenen Lebens gewesen ist, desto öfter, stärker und klarer werden wir diese Stimme hören.

Daraus ersehen wir, wie wichtig es ist, die hinübergehende Seele nach dem Tod völlig in Ruhe zu lassen. Handeln wir entsprechend, so helfen wir ihr, dem eben beendeten Leben den größten Nutzen zu entziehen und die Wiederholung derselben Fehler in künftigen Leben zu vermeiden, während unsere selbstsüchtigen, hysterischen Klagen ihr viel vom Nutzen des soeben abgeschlossenen Lebens rauben können.

Die Aufgabe des Fegefeuers ist, die üblen Gewohnheiten dadurch auszumerzen, dass ihre Befriedigung unmöglich wird. Der Mensch leidet genau so, wie er andere durch seine Unehrlichkeit, seine Grausamkeit, seine Unduldsamkeit usw. leiden ließ. Aus diesen Leiden lernt er in künftigen Leben gegen andere gütig, ehrlich und nachsichtig zu sein. So lernt er als Folge dieses heilbringenden Zustandes Tugend und richtiges Handeln. Wenn er wiedergeboren wird, ist er frei von üblen Gewohnheiten; jeder begangene Fehltritt entspringt dann dem freien Willen. Der Hang, das Böse aus vergangenen Leben zu wiederholen, bleibt zurück, denn wir müssen lernen, das Rechte bewusst und aus freiem Willen zu tun. Gelegentlich versuchen uns diese Neigungen und geben uns dadurch Gelegenheit, uns auf die Seite der Rechtschaffenheit und Tugend oder auf die Seite des Lasters und der Grausamkeit zu stellen. Das Gefühl aber, das aus der Reinigung von den Fehlern und aus der Austilgung der üblen Taten der vergangenen Leben erwächst, hilft uns, die rechte Handlungsweise zu erkennen und widerstandsfähig gegen die Fallstricke und Ränke der Versuchung zu sein.

Wenn wir dieses Gefühl beachten und uns von dem besonderen, damit verbundenen Übel fernhalten, wird die Versuchung aufhören. Wir haben uns für alle Zeiten davon befreit. Geben wir nach, so werden wir schwerer als vorher leiden, bis wir endlich gelernt haben, nach der goldenen Regel zu leben, denn der Weg des Übertreters ist hart. Aber selbst dann ist das Endziel noch nicht erreicht.

Anderen Gutes tun, damit sie uns wieder Gutes tun, ist im höchsten Grad selbstsüchtig. Wir müssen mit der Zeit lernen, das Gute ohne Rücksicht darauf zu tun, wie wir von anderen behandelt werden. Christus sagt, wir müssen selbst unsere Feinde lieben.

Eine unschätzbare Wohltat ist es, über die Methode und den Zweck dieser Reinigung unterrichtet zu sein, weil es uns dadurch möglich wird, unser Fegefeuer schon hier und jetzt Tag für Tag zu durchleben, um dadurch viel schneller vorwärts zu kommen, als dies sonst möglich gewesen wäre. Im späteren Teil dieses Buches wird eine Übung angegeben, deren Zweck die Reinigung ist, die wir zur Entwicklung des geistigen Sehens benötigen.

Sie besteht darin, die Ereignisse des Tages zu überdenken, ehe man sich zur Ruhe begibt. Wir lassen alle Ereignisse des Tages in umgekehrter Reihenfolge an uns vorüberziehen, richten unser besonderes Augenmerk auf ihre moralische Seite und überlegen, ob wir in jedem einzelnen Fall - was Taten, geistige Haltung und Gewohnheiten betrifft - recht oder unrecht gehandelt haben.

Wenn wir uns auf diese Weise selbst kritisieren und suchen, Fehler und Übeltaten zu verbessern, können wir die Reinigungszeit im Fegefeuer wesentlich abkürzen, vielleicht sogar unöštig machen und nach dem Tod unmittelbar in den ersten Himmel eingehen. Wenn wir so unsere Schwächen bewusst bekämpfen, machen wir auch sehr wesentliche Fortchritte auf unserem Entwicklungsweg. Selbst wenn es uns nicht gelingt, unsere Taten zu berichtigen, so ziehen wir doch ausserordentlichen Vorteil aus unserer Selbstkritik, da wir dadurch Neigungen zum Guten schaffen, die sich im Lauf der Zeit unfehlbar als rechte Handlungen verwirklichen müssen.

Wenn wir die Tagesereignisse überblicken und uns für die Fehler tadeln, so dürfen wir auch nicht vergessen, auf unpersönliche Weise unsere guten Taten anzuerkennen und uns zu entschliessen, noch besser zu handeln. So fördern wir das Gute durch Anerkennung und verringern das Böse durch Tadel.

Reue und Besserung sind ebenfalls mächtige Faktoren zur Abkürzung des Reinigungszustandes, denn die Natur verschwendet niemals Anstrengungen in nutzlosen Vorgängen. Wenn wir uns des Unrechts verschiedener Gewohnheiten und Taten aus unserem vergangenen Leben bewusst werden und den Entschluss fassen, das Unrecht gutzumachen und die üble Gewohnheit abzulegen, tilgen wir ihr Bild aus dem unterbewussten Gedächtnis; sie können somit nach dem Tod nicht mehr über uns zu Gericht sitzen. Selbst wenn wir nicht fähig sind, unser Unrecht gutzumachen, so genügt die Aufrichtigkeit unserer Reue. Das Ziel der Natur ist nicht Rache. Unsere Opfer werden auf andere Art und Weise Genugtuung erhalten.

Es können von einem Menschen viele dem künftigen Leben vorgehaltene Fortschritte erreicht werden, wenn er der Zeit vorauseilt, indem er sich selbst richtet und seine Fehler und Laster durch Verbesserung seines Charakters austilgt. Diese Übung wird dringend empfohlen. Sie ist vielleicht die wichtigste Lehre dieses Werkes.

Fortsetzung:

Das Grenzland



Kosmo Konzeption


Die kosmische Konzeption - eine Philosophie über das Warum im Leben - beantwortet und vermittelt uns in klaren und einfachen Worten das Basiswissen der Weisheitslehre der Rosenkreuzer und stellt für jeden Menschen, der auf der Suche nach seiner Lebensaufgabe ist, einen Goldschatz an Informationen dar. Sie ist ein umfassendes Nachschlagewerk für alle, die sich mit den grundlegenden Fragen des menschlichen Lebens befassen - dazu zählen ganz persönliche als auch weltliche Fragen. (716 Seiten, gebunden)

Autor: Max Heindel
ISBN: 978-3-906414-00-3
Erhältlich in Ihrem regionalen Buchhandel


© RCF Rosenkreuzer Freundeskreis