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... aus Kosmokonzeption (Max Heindel)

Chaos


In den vorhergehenden Seiten wurde nichts über unser Sonnensystem und über die verschiedenen Planeten gesagt, die es bilden, weil die gegenwärtige Trennung nicht früher geschah, bevor die Erdperiode erreicht war. Die Erdperiode ist der Gipfel der Trennung, und obschon wir nur von einer Klasse der jungfräulichen Geister gesprochen haben, von denen, die im engsten und begrenztesten Sinn mit unserer Entwicklung in Verbindung stehen, so gibt es in Wahrheit sieben "Strahlen" oder Lebensströme, die alle verschiedene Evolutionen verfolgen und dennoch zu derselben ursprünglichen Klasse von jungfräulichen Geistern wie unsere Menschheit gehören.

In den vorhergehenden Perioden fanden alle diese Unterklassen oder Strahlen für ihre Entwicklung auf demselben Planeten eine geeignete Umgebung. Aber in der Erdperiode wurden die Bedingungen so, dass die verschiedenen Klassen auf verschiedene Planeten verpflanzt werden mussten, um ihnen die für ihre Entwicklung nötige Schwingungszahl und Temperatur zu verleihen. Sie wurden in verschiedene Entfernung von der Sonne, der zentralen Lebensquelle, versetzt. Das ist die Grundlage des Seins unseres und aller anderen Sonnensysteme im Weltall.

Ehe wir an die Beschreibung der Evolution unserer Menschheit auf der Erde nach ihrer Trennung von der Zentralsonne schreiten, ist es zur Aufrechterhaltung der folgerichtigen Ordnung nötig, die Differenzierung zu beschreiben, welche die Planeten unseres Systems in den Raum hinausschleuderte.

Aktive Manifestationen, besonders in der physischen Welt, hängen von der Abgesondertheit ab, von der Begrenzung des Lebens durch die Form. Aber während der Pausen zwischen den Perioden und Kreisläufen hört die bestimmte Unterscheidung zwischen Leben und Form auf. Das ist nicht nur auf die Menschheit und auf die niederen Reiche anzuwenden, sondern auch auf die Welten und Globen, welche die Grundlage für das sich entwickelnde Leben sind. Nur die Keimatome und die Kerne oder Zentren der Globen bleiben zurück, alles andere ist eine homogene Masse. Es ist nur der eine Geist, der den Raum durchdringt. Leben und Form, sein positiver und sein negativer Pol sind eins.

Dieser Zustand der Dinge war es, den die griechische Mythologie "Chaos" nannte. Die alte nordische und germanische Mythologie nennen ihn "Ginnungagap", der auf der Nordseite vom kalten und nebligen "Niflheim", dem Land des Nebels und Dunstes, und auf der Südseite vom feurigen "Muspelheim" begrenzt war. Wenn Hitze und Kälte in den Raum eindrangen, der von Chaos oder Ginnungagap eingenommen wurde, verursachten sie die Kristallisation des sichtbaren Universums. Auch die Bibel erweckt die Vorstellung vom unbegrenzten Raum, die der Aktivität des Geistes vorangeht.

In unserer jetzigen materialistischen Periode haben wir leider die Vorstellung von dem verloren, was hinter dem Wort Raum liegt. Wir sind es so gewöhnt, von "leerem" Raum zu sprechen, oder von der "großen Leere" des Raumes, dass wir die große und heilige Bedeutung des Wortes ganz vergessen und so nicht das Gefühl der Ehrfurcht haben, welche die Vorstellung von Raum und Chaos in uns erwecken sollte.

Für die Rosenkreuzer sowie für jede andere okkulte Schule gibt es solche Dinge wie einen leeren Raum oder etwas ähnliches nicht. Für sie ist "Raum Geist" in seiner aufgelösten Form, während die Materie kristallisierter Raum oder Geist ist. Der Geist ist zweifach in seiner Manifestation: was wir als Form sehen, ist seine negative Manifestation - kristallisiert und träge. Der positive Pol des Geistes manifestiert sich als Leben und stimuliert die negative Form zur Tätigkeit, aber beide, Leben und Form, entsprangen aus dem Geist, dem Raum und dem Chaos!

Um eine ähnliche Idee aus dem Alltagsleben zu geben, wollen wir als Beispiel das Bebrüten eines Eies nehmen. Das Ei ist mit einer mäßig zähen Flüssigkeit gefüllt. Diese Flüssigkeit oder Feuchte wird der Wärme ausgesetzt, und aus der weichen flüssigen Substanz entsteht ein lebendiges Kücklein mit harten Knochen und verhältnismäßig hartem Fleisch, mit Federn, die relativ harte Kiele haben usw.

Wenn aus der trägen Flüssigkeit eines Eies ohne Hinzufügen irgendeiner erhärtenden Substanz von außen ein lebendiges Kücklein gebildet werden kann, so scheint die Idee, dass das Universum kristallisierter Geist oder Raum ist, nicht absurd zu sein. Ohne Zweifel wird dieser Vergleich vielen töricht erscheinen. Aber dieses Buch ist nicht zu dem Zweck geschrieben, die Welt davon zu überzeugen, dass die Dinge sind. Es hat die Absicht, dem innerlich für diese Dinge Empfänglichen zu helfen, das große Weltmysterium zu beleuchten, das zu sehen dem Verfasser vergönnt war. Für den Augenblick ist es die Hauptsache zu zeigen, dass der Geist immer tätig ist, in einer Weise während der Manifestationen und in einer anderen während des Chaos.

Die moderne Wissenschaft würde bei der Idee, dass auf einem Globus schon während seines Bildungsprozesses Leben sein könnte, spotten. Das kommt daher, weil die Wissenschaft Leben und Körper nicht auseinanderhalten kann. Sie erfasst eine Form nur, wenn sie fest und greifbar durch einen unserer fünf Sinne wahrnehmbar ist.

Der okkulte Gelehrte ist übereinstimmend mit der oben gegebenen Definition von Leben und Form der Ansicht, dass Leben unabhängig von konkreter Form existieren kann; dass es Formen annehmen kann, die unseren beschränkten Sinnen nicht zugänglich sind und die keinen Gesetzen des jetzigen konkreten Zustandes der Materie unterliegen.

Die Nebeltheorie nimmt allerdings an, dass alles Sein (das heisst, alle Formen, die Welten im Raum und alle darauf bestehenden Formen) aus dem feurigen Urnebel entstanden sei. Aber sie erkennt die durch die okkulte Wissenschaft behauptete weitere Tatsache nicht an, dass der feurige Urnebel Geist ist. Sie nimmt nicht an, dass die ganze Atmosphäre um uns und der Raum zwischen den Welten vom Geist erfüllt ist, und dass ein beständiger Austausch vor sich geht, die Form sich in Raum auflöst, und der Raum sich in Form kristallisiert.

Chaos ist kein Zustand, der in der Vergangenheit bestanden hat und jetzt völlig verschwunden ist. Wenn nicht alle abgenutzten Körper beständig ins Chaos zur Auflösung zurückkehrten und das Chaos nicht beständig neue Formen gebären würde, so gäbe es keinen Fortschritt. Die Arbeit der Entwicklung würde aufhören und eine solche Hemmung würde die Möglichkeit des Fortschrittes verhindern.

Es ist ein Grundsatz, dass "je öfter wir sterben, desto besser wir leben". Der Dichter-Eingeweihte Goethe sagt:

"Und so lang du das nicht hast,
Dieses Stirb und Werde,
Bist du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde."

Und Paulus sagt: "Ich sterbe täglich."

Darum muss man als Schüler der okkulten Wissenschaften festhalten, dass selbst während der tätigen Manifestation es das Chaos ist, das die Grundlage allen Fortschrittes bildet. Unser Leben während des Chaos beruht auf unserem Leben während der tätigen Manifestation und umgekehrt, das heisst, auf dem was wir während der aktiven Manifestation vollbringen können.

Die Fähigkeit, überhaupt fortzuschreiten, ist die Folge der Existenz im Chaos. Die Zwischenzeit zwischen den Perioden und Kreisläufen ist in Wirklichkeit viel wichtiger für das Wachstum der Seele als die konkrete Existenz, obschon die letztere die Grundlage der ersteren ist und daher nicht entbehrt werden kann.

Die Wichtigkeit der Zwischenzeit des Chaos liegt in der Tatsache, dass während dieser Periode die sich entwickelnden Wesen aller Klassen so eng verbunden sind, dass sie wahrlich eins sind. Deshalb sind jene, die während der Manifestation eine niedere Entwicklung haben, in innigster Verbindung mit den höher Entwickelten und erfahren und genießen daher eine viel höhere Schwingungszahl als ihre eigene. Das macht sie fähig, ihre vergangenen Erfahrungen in einer Art zu durchleben und aufzunehmen, wie sie es, an ihre Form gebunden unmöglich könnten.

Wir haben die Wohltat der Zwischenzeit zwischen Tod und Geburt für den menschlichen Geist gewürdigt. Und doch besteht auch hier die Form noch, wenn auch im Vergleich zum dichten Körper außerordentlich verfeinert. Aber in der kosmischen Nacht und in den Zwischenräumen zwischen Perioden und Kreisläufen, wo volle Freiheit von jeder Form herrscht, können die wohltätigen Resultate vergangener Erfahrungen viel wirksamer aufgenommen werden.

Wir haben ein Wort, das ursprünglich geprägt wurde, um den Zustand der Dinge zwischen den Manifestationen zu bezeichnen. Dieses Wort ist nun aber im materiellen Sinn so viel benützt worden, dass es seine Urbedeutung verloren hat. Dieses Wort heisst: "Gas".

Man möchte glauben, dass das ein sehr altes Wort sei, das fast immer für einen Zustand der Materie benützt wurde, der leichter als Flüssigkeiten war. Doch ist das nicht der Fall. Das Wort wurde zuerst in "Physika" verwendet, einem Werk, das 1663 erschien, und Comenius zum Verfasser hat.

Comenius nannte sich nicht "Rosenkreuzer". Kein wahrer Bruder tut das öffentlich. Nur der Rosenkreuzer kennt den Bruder Rosenkreuzer. Nicht einmal die vertrautesten Freunde oder Verwandten wissen von der Verbindung eines Menschen mit dem Orden. Nur die, welche selbst Eingeweihte sind, kennen jene Schriftsteller der Vergangenheit, die Rosenkreuzer waren. Sie sehen aus ihren Werken die unverkennbaren Worte, Sätze und Zeichen zur Verkündigung der tiefen Erkenntnis leuchten, die dem Nichteingeweihten verborgen bleibt.

Die Rosicrucian Fellowship besteht aus Schülern der Lehren des Ordens, die jetzt öffentlich gegeben werden, weil die Intelligenz der Allgemeinheit so weit wie erforderlich entwickelt ist. Das Werk ist eines der ersten wenigen Fragmente des Wissens der Rosenkreuzer, die öffentlich herausgegeben wurden. Alles, was als solches vor den letzten paar Jahren gedruckt wurde (1909), ist die Arbeit entweder von Quacksalbern oder von Verrätern.

Rosenkreuzer wie Paracelsus, Comenius, Bacon, Helmont und andere gaben in ihren Werken nur Andeutungen und regten andere an. Der große Meinungsstreit, der die Autorenschaft des Shakespeare betraf (und nutzlos so viel Federkiele abstumpfte und so viel gute Tinte verschwendete, die einem besseren Zweck hätte dienen können), wäre niemals entstanden, wenn man gewusst hätte, dass die große Ähnlichkeit bei Shakespeare und Bacon aus der Tatsache hervorgeht, dass beide durch denselben Eingeweihten inspiriert wurden, der auch Jakob Böhme und einen Pastor aus Ingolstadt, Jacobus Baldus, befruchtete.

Letzterer lebte nach dem Tod des Dichters von Avon und schrieb lateinischlyrische Gedichte. Liest man das erste Gedicht des Jacobus Baldus mit einem gewissen Schlüssel, wird man durch Auf- und Ablesen der Linien den folgenden Satz finden: "Bis hierher habe ich von jenseits der See mit Hilfe des Dramas gesprochen, jetzt werde ich mich in Lyrik ausdrücken."

In seinem Werk "Physika" schrieb der Rosenkreuzer Comenius: "Ad huc spiritum incognitum Gas voco." Das heisst: "Diesen bisher unbekannten Geist (spirit) nenne ich Gas."

Weiterhin sagt er in seinem Werk: "Dieser Dunst (vapor), den ich Gas nannte, ist vom Chaos der Alten nicht weit entfernt."

Wir müssen vom Chaos als dem Geist Gottes denken lernen, der jeden Teil der Unendlichkeit durchdringt. Dann wird der okkulte Grundsatz: "Chaos ist der Saatgrund des Kosmos", in seinem wahren Licht erscheinen, und wir werden aufhören uns zu wundern, "dass aus nichts etwas hervorgehen kann", denn der Raum ist keineswegs wesensgleich mit "nichts". Das Chaos umfasst in sich alles im Keim, was sich während einer physischen Manifestation äußert, und doch nicht alles, denn durch die Vermählung des Kosmos mit dem Chaos wird jedesmal etwas Neues hervorgebracht, das früher nicht war, etwas, das nicht vorhergesehen und latent war. Der Name dieses Etwas ist Schöpferkraft, die Ursache der Epigenesis.

Sie erscheint in allen Reichen. Sie ist der Ausdruck des fortschreitenden Geistes in Mensch, Tier und Pflanze. Darum ist Chaos ein heiliger Name, ein Name, der den Urgrund all dessen, was die Natur darbietet, bedeutet, und der ein Gefühl der Ehrfurcht in jedem geprüften, wahren und geübten Okkultisten hervorruft. Er sieht die sichtbare Sinnenwelt als Offenbarung der verborgenen Möglichkeiten des Chaos an.

Fortsetzung:

Die Geburt der Planeten



Kosmo Konzeption


Die kosmische Konzeption - eine Philosophie über das Warum im Leben - beantwortet und vermittelt uns in klaren und einfachen Worten das Basiswissen der Weisheitslehre der Rosenkreuzer und stellt für jeden Menschen, der auf der Suche nach seiner Lebensaufgabe ist, einen Goldschatz an Informationen dar. Sie ist ein umfassendes Nachschlagewerk für alle, die sich mit den grundlegenden Fragen des menschlichen Lebens befassen - dazu zählen ganz persönliche als auch weltliche Fragen. (716 Seiten, gebunden)

Autor: Max Heindel
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